Tiersymbolik in der weltlichen Kunst

Auf unserem „zoologischen“ Spaziergang durch Schlösser und Museen entdecken wir Beispiele zur Tiersymbolik in der Profankunst, vor allem aus Renaissance und Barock. Tierdarstellungen sind nicht immer nur schmückendes Beiwerk, sondern fungieren in Historien, Allegorien (bildliche Darstellung abstrakter Begriffe), Porträts oder der Genremalerei auch als Bedeutungsträger für das Bildverständnis. Während das zeitgenössische Publikum diese Botschaften mühelos entschlüsseln konnte, erschließen sie sich dem heutigen Betrachter nicht mehr auf Anhieb.

Mit der Renaissance erweiterte sich das bisher stark religiös geprägte Bedeutungsspektrum von Tiersymbolen, unter anderem durch das neu entdeckte naturkundliche und mythologische Wissen der Antike oder auch durch den Einfluss von Sprichwörtern, Redewendungen etc. Noch stärker als im Mittelalter wurden Tiere nun mit zahlreichen – teilweise sogar gegensätzlichen – menschlichen Tugenden und Lastern in Analogie gesetzt. So steht der Löwe etwa stellvertretend für den Mut oder der Affe für die Dummheit. Das bedeutendste Handbuch, dessen sich Künstler und Auftraggeber um 1600–1800 zur Erstellung von Allegorien bedienten, ist Cesare Ripas ,Iconologia‘. Hierbei handelt es sich um eine schier unerschöpfliche Fundgrube an Personifikationen aus allen Bereichen des menschlichen Lebens, die vor allem durch weibliche Figuren mit kennzeichnenden Attributen wie Tiere, Pflanzen oder Gegenstände verkörpert werden.

Als Allegorien im 19. Jahrhundert aus der Mode kamen, wurden Tiere überwiegend als reale Bildelemente dargestellt. Seit der klassischen Moderne sind unsere Mitgeschöpfe form- und farbstarke Ausdrucksträger subjektiver Empfindungen, wie etwa für den Mitbegründer des Blauen Reiters, Franz Marc: „Ich habe auch gar nie das Verlangen, (…) die Tiere zu malen wie ich sie ansehe, sondern wie sie sind.“

Eckdaten :

um 1485 : Hans Memling, „Allegorie der irdischen Eitelkeit und der Himmlischen Erlösung“, Straßburg, Museum der Schönen Künste.

um 1490 : Leonardo, „Junge Dame mit Hermelin / Porträt der Cecila Gallerani“, Krakau, Nationalmuseum, Slg. Czartoryski.

1500/05 : Piero di Cosimo, „Venus, Mars und Amor“, Berlin, Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz, Gemäldegalerie.

1510 : Vittore Carpaccio, „Bildnis eines jungen Ritters“, Madrid, Museo Thyssen-Bornemisza.

1562 : Pieter Brueghel d. Ä., „Zwei angekettete Affen“, Berlin, Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz, Gemäldegalerie.

ab 1593 : Cesare Ripa, ,Iconologia‘, Rom, ikonographisches, oft aufgelegtes und übersetztes Wörterbuch mit abstrakten Begriffen in Gestalt von Personifikationen mit Attributen, darunter auch Tiere; immenser Einfluss auf allegorische Darstellungen bis ca. 1810.

ab 1616 : Donato Arsenio Mascagni, Personifikationen, Festsaal von Schloss Hellbrunn bei Salzburg.

1717/18 : Johann Michael Rottmayr, „Sieg der Schönbornschen Tugenden über die Laster“, Schloss Weißenstein ob Pommersfelden/Oberfranken.

1912 : Franz Marc, „Drei Tiere (Hund, Fuchs und Katze)“, Kunsthalle Mannheim

teil 1

Tiersymbolik in der christlichen kunst

teil 2

Tiersymbolik in der weltlichen kunst

Ihre Dozentin

Sonja Lucas ist Kunsthistorikerin, Sachbuchautorin, Lektorin und Dozentin in der Erwachsenenbildung und lebt in Aachen. Im Verlag der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, für den sie seit rund 20 Jahren arbeitet, veröffentlichte sie unter anderem Wege zur Weihnacht. Entdeckungen in Deutschlands Denkmalen und Zu Gast im Denkmal. Historische Bauwerke bitten zu Tisch. Ihr besonderes Interesse gilt der Ikonographie, der Deutung von Motiven in der Kunst.

Lesetipps :

Dittrich, Sigrid und Lothar Lexikon der Tiersymbole. Tiere als Sinnbilder in der Malerei des 14.-17. Jahrhunderts, Peter Imhof Verlag Petersberg, 2004.

Impelluso, Lucia Die Natur und ihre Symbole. Pflanzen, Tiere und Fabelwesen (Bildlexikon der Kunst, Bd. 7), Parthas Verlag Berlin 2005.

Kretschmer, Hildegard Lexikon der Symbole und Attribute in der Kunst, Philipp Reclam jun. Stuttgart 32018.

Tervarent, Guy de Attributs et Symboles dans L’Art profane. Dictionnaire d’un language perdu (1450-1600), Droz Genf 1997.