Wand- und Buchmaler des 15. Jahrhunderts zwischen Rhein und Maas 

Die künstlerische Tätigkeit des Meisters von Ponthoz

Auch Dorfkirchen weisen ungeahnte Kostbarkeiten auf und können zum Mittelpunkt einer Kunstlandschaft werden. Wertvolle Wandmalereien des 15. Jahrhunderts führen uns in eine ländliche Gegend Belgiens, genauer in die Wallonie, in das ehemalige Fürstbistum von Lüttich. Farbenprächtig schmücken hier Wandmalereien bis heute zwei nahe gelegene Gebäude: die romanische Pfarrkirche in Bois und die von dem Kanoniker Wautier von Corswarem erbaute Privatkapelle von Ponthoz (beide in der Gemeinde Clavier). Beide Gotteshäuser wurden um 1460 ausgemalt. Obwohl diese Ausmalungen seit langem bekannt sind, blieben sie bisher unerforscht. Ihre Qualität, ihre stilistischen Gemeinsamkeiten und die gelehrten Bildprogramme gaben durch eine erst kürzlich durchgeführte spannende Analyse nähere Aufschlüsse zu Künstler und Auftraggeber.

Wie so oft blieb dabei der Maler leider anonym. Doch fasziniert er durch seine einzigartige und talentierte Malweise. Sie ist identisch mit einer ausgemalten Handschrift aus dem Kölner Raum. Diese Entdeckung stellt das polyvalente Werk des Malers somit in ein ganz neues Licht. Der neu entdeckte Künstler erhielt den Notnamen „Meister von Ponthoz“.

Der Vortrag wird Sie in diese neu beleuchtete spätgotische Kunstsphäre einführen, in der die große Aussagekraft der religiösen Bilderwelt des Mittelalters, die Symbiose zwischen Wandmalerei und Architektur sowie die technische Eigenart des Malers im Vordergrund stehen. Parallel dazu werden Fragen zur Rezeption der Wandmalereien, ihrer Funktion und Eigenart gestellt: welchen Eindruck machten sie auf die Gläubigen des Mittelalters und wie ging die Zeit mir ihnen um? Außerdem wird auch auf die Materialität eingegangen und gezeigt, wie sich die Wandmalereien - sehr verwundbare Kunstobjekte -, mit der Zeit verändern können und wie sie in interdisziplinärer Zusammenarbeit von Historikern, Kunsthistorikern, Naturwissenschaftlern, und Restauratoren erforscht werden können. 

Eckdaten :

Um 1450 : Ausmalung einer Handschrift „Leben Jesu“ in Köln (heute im Handschriftenbestand der Universität Lüttich).

1458 : Erbauung der Kapelle von Ponthoz durch den Kanoniker Wautier von Corswarem (um 1408-1470).

Um 1460 : Ausmalung zweier Kirchen im Lütticher Raum durch den „Meister von Ponthoz“.

Um 1908-1912 : Freilegung und erste Restaurierung der Wandmalereien in der Kirche von Bois.

2009-2012 : Untersuchung der Wandmalereien von Ponthoz und Bois durch das Königliche Institut für das Kunsterbe in Brüssel.


ihre dozentin

Dr. Ilona Hans-Collas studierte Kunstgeschichte und  promovierte über die Wandmalereinen in Lothringen vom 13. bis 16. Jahrhundert.

Sie ist Spezialist der mittelalterlichen Wandmalerei (Belgien und Frankreich), der flämischen Buchmalerei, der alten Drucke und der Ikonografie. Zu diesen Fachgebieten veröffentlichte sie mehrere Bücher und Artikel.

Sie nahm an mehreren umfangreichen Forschungsprojekten teil:  an der wissenschaftlichen Bearbeitung der flämischen Handschriften und an der  Bestandaufnahme der mittelalterlichen Wandmalereien Belgiens.

Sie war ebenfalls mehrmals Ausstellungskuratorin in Paris.

Sie ist Präsidentin der Arbeitsgruppe zur Erforschung der Wandmalerei: Groupe de recherches sur la peinture murale (GRPM: https://grpm.asso.fr/) und ist Präsidentin der französischen Totentanz-Vereinigung „Danses macabres d’Europe“ (DME: http://www.danses-macabres-europe.org/)

Lesetipps :

Ulrike Heinrichs, Katharina Pick (Hrsg.), Neue Forschungen zur Wandmalerei des Mittelalters, Regensburg, 2019.

Ilona Hans-Collas (Hrsg.), Anna Bergmans, Thomas Coomans, Estelle De Groote, Alain Marchandisse, Christophe Masson, Walter Schudel, Marina Van Bos, und mit der Mitarbeit von Helena Wouters, D’une même main. Peintures murales du xve siècle dans la principauté de Liège. Regards croisés sur la chapelle du château de Ponthoz et l’église de Bois, Brüssel (Scientia Artis, 11), 2016, 431 S.

Erfassen, Erforschen und Erhalten. Monitoring mittelalterlicher Wandmalereien. Beiträge des 11. Konservierungswissenschaftlichen Kolloquiums in Berlin/ Brandenburg am 17. November 2017 in Brandenburg an der Havel, Zossen, 2017 (mit einem Beitrag von Estelle De Groote und Ilona Hans-Collas, « Erfassung, Visualisierungs- und Analysesystem zur Dokumentation mittelalterlicher Wandmalereien in Belgien: Projekte am Königlichen Institut für das Kulturerbe (Koninklijk Instituut voor het Kunstpatrimonium – Institut royal du Patrimoine artistique, KIK-IRPA, Brüssel », S. 140-149).

Anna Bergmans, Ilona Hans-Collas (Hrsg.), Muurschilderkunst, Wandmalerei, Peinture murale, Wall Painting. In Honour of Walter Schudel, in Gentse Bijdragen tot de Interieurgeschiedenis. Interior History, 38 (2012-2013), Leuven, 2015.