DER JUGENDSTIL

Die Epoche des Jugendstils ist für Designer, Künstler und Architekten eine wichtige Phase auf der Suche nach neuen Formen. Ziel dieser internationalen Bewegung ist die Ablösung vom industriell geprägten Historismus. Kennzeichnend für den Jugendstil ist das Experimentieren in nahezu allen Kunstgattungen. Der Wunsch nach dem „Gesamtkunstwerk“ als einer Einheit aus Design, Kunst und Architektur bringt viele großartige Schöpfungen hervor, provoziert aber ebenso Widersprüche und Skandale. In Deutschland dient die von 1896-1940 in München erscheinende Zeitschrift „Jugend“ als Namensgeberin für den neuen Stil. Im deutschen Sprachraum gibt es mehrere wichtige Zentren des Jugendstils, darunter Wien, Darmstadt (Künstlerkolonie Mathildenhöhe) und München. Der Jugendstil entwickelt sich in der kurzen Zeitspanne von ca. 1890 bis 1914, der Ausbruch des Ersten Weltkriegs bedeutet sein Ende. Zu den gestalterischen Elementen gehören dekorativ geschwungene Linien sowie flächenhaft gestaltete Pflanzenornamente und der Verzicht auf Symmetrie, ebenso typisch sind geometrische Muster, in denen das Quadrat eine wesentliche Rolle spielt. Der Jugendstil ist trotz der Gemeinsamkeiten jedoch keine geschlossene Bewegung, einig sind sich die Künstler vor allem in der Abkehr vom Historismus. Der Tendenz seit der Mitte des 19. Jahrhunderts, wonach sich verschiedene Stilrichtungen in Architektur, Dekor, Möbeln und Keramik zu einem eklektizistischen Ganzen im Leben des Bürgertums vereinigen sollten, stellt der Jugendstil ein neues Ideal gegenüber: das stilistisch einheitliche Ganze. Alle gestalterischen Elemente sollen ein zusammenhängendes dekoratives Ensemble bilden, die Grenzen zwischen den einzelnen Künsten aufgehoben werden. Man sucht Verbindungen zwischen Tönen, Farben, Stimmungen, Düften und Worten. Der Wunsch nach der Vereinigung von „Kunst und Leben“ nimmt eine zentrale Rolle ein. Diesem Anspruch kam das Werk am nächsten, das in allen Teilbereichen von einem einzigen Künstler gestaltet wurde. Jede Fassade, jedes Möbelstück und jede Türklinke sollte nicht nur zeitgemäßer Ausdruck eines Stils sein, sondern zugleich die persönliche Handschrift des jeweiligen Designers oder Künstlers tragen. Möbel und Tapeten, Glas und Porzellan, Skulptur und Plastik, Drucke und Gemälde verschmelzen mit den sie umgebenden Räumen, sogar die Kleidung der Bewohner soll dem Ambiente angepasst sein. 

Eckdaten :

Jugendstil als aus Deutschland stammende Bezeichnung für die internationale Kunsterneuerungsbewegung in der Zeit von ca. 1890-1914. In anderen Ländern / Regionen andere Namen: Frankreich (Art nouveau), Großbritannien (Modern Style), Belgien (Art Noveau), Österreich-Ungarn (Secession), Katalonien (Modernisme) u.a.

1896 : Wochenzeitschrift „Jugend“, die den Namen „Jugendstil“ in Deutschland prägt, erscheint erstmals in München.

Ab 1897 : in Österreich wurde Kunsterneuerung vor allem in Wien vorangetrieben, durch die Zeitschrift „Ver Sacrum“ und die Künstler der Wiener Secession.

1899 : Gründung der Jugendstil-Künstlerkolonie Mathildenhöhe Darmstadt durch den Großherzog Ernst Ludwig.

1900 : Weltausstellung in Paris (Jugendstil-Möbelentwürfe von Bruno Paul / Richard Riemerschmid u.a.).

1906–1909 : Gründung und Bau der Großherzoglich-Sächsischen Kunstgewerbeschule Weimar durch Henry van de Velde.

1907 : Gründung des Deutschen Werkbundes in München, der eine Ablösung vom Jugendstil forderte.

1914 : Werkbundtheater in Köln von Henry van de Velde / Beginn des Ersten Weltkrieges.

Ihre Dozentin

Nach Architekturstudium in Weimar (Bauhaus-Universität), Promotion an der Universität Hannover und einer langjährigen Tätigkeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin an diversen Instituten für Baugeschichte, zuletzt an der TU Dresden, ist Dr. Kaija Voss seit mehr als 15 Jahren in der Erwachsenenbildung und als freie Autorin und Architekturhistorikerin tätig.

Sie leitet Stadtführungen, Architekturspaziergänge und Bildungsreisen, hält Vorträge zu nahezu allen Stilepochen und schreibt Bücher zu Themen der Architekturgeschichte.

Sie lebt bei München und ist freie Mitarbeiterin von Süddeutscher Zeitung und Bayerischer Staatszeitung. Ihre Spezialgebiete sind das Bauhaus und die Architektur der Klassischen Moderne. Für die Erhaltung denkmalgeschützter Bauten engagiert sie sich bei der Deutschen Stiftung Denkmalschutz und als Vorstandsmitglied des Historischen Vereins Wolfratshausen.

Ihr Motto lautet: „Architektur: Sehen lernen!“ (www.architektur-sehenlernen.de)

Lesetipps :

Boerner, Maria-Christina; Jugendstil, 2019

Fahr-Becker, Gabriele; Jugendstil, 2007

Fahr-Becker, Gabriele; Wiener Werkstätte (1903-1932), 2008

Föhl, Thomas / Claus Pese; Peter Behrens – Vom Jugendstil zum Industriedesign, 2013

Föhl, Thomas; Neues Museum Weimar: Van de Velde, Nietzsche und die Moderne um 1900, 2019

Lieb, Stefanie; Was ist Jugendstil?: Eine Analyse der Jugendstilarchitektur 1890 – 1910, 2000

Neumann-Adrian, Edda; Münchens Lust am Jugendstil: Häuser und Menschen um 1900, 2005

Sembach, Klaus-Jürgen; Jugendstil, 2019

Victoria Charles & Klaus H. Carl; Wiener Secession, 2011