hans baldung grien
Von Hexenlust, "Weiberlist" und schönen Madonnen
Hans Baldung Grien lebte in einer Zeit, in der der sogenannte „Hexenhammer“ des Dominikanermönchs Heinrich Kramer von 1487, Ulrich Molitors „Von den Unholden oder Hexen“ aus dem Jahr 1498 oder die Predigtsammlung von Geiler von Kaysersberg den Höhepunkt einer misogynen Bewegung bildeten, in der Frauen als Hexen dämonisiert und als sexuell unersättlich diffamiert wurden. Baldung formulierte Frauenakte mit diversen Utensilien des Schadenzaubers in teilweise vulgären und obszönen Posen. Er zeigte sie in einer für seine Zeit ungeheuerlichen Zügel- und Schamlosigkeit. Die Gefährlichkeit seiner Hexen liegt nicht mehr ausschließlich in ihrer Magie oder Teufelsbuhlschaft, sondern in der entfesselten Sinnlichkeit der Frau. Baldung stimulierte damit sowohl die Schaulust als auch die gelehrte Diskussion humanistisch gebildeter Kreise. Diese Blätter und Tafeln erfuhren in der kunsthistorischen Literatur ganz unterschiedliche Deutungen: sind sie die bildnerische Umsetzung des allgemeinen Hexenwahns, spiegeln sie eher persönliche Ängste oder dienten sie der Befriedigung des Voyeurismus?
Neben diesen teils pornografisch zu nennenden Arbeiten widmete sich der Künstler der Madonnendarstellung von berückender Schönheit. Idealisierte Frauentypen mit reichhaltiger Ikonografie versehen, verbildlichen das Heilsgeschehen, in Maria mit Kind und Papageien ist die Madonna mit Attributen der Venus ausgestattet.
Die Große Landesausstellung 2019/20 in Baden-Württemberg, die sich dem Oeuvre Hans Baldungs widmete und dieses monografisch detailliert präsentierte, zeugt von einem lebendigen Interesse, die dem Künstler noch 500 Jahre nach seinem Wirken zuteilwird. Der Vortrag widmet sich der Darstellung von Madonnen und Hexen, der sogenannten „Weiberlist“ und der von Baldung neu formulierten Darstellung von Adam und Eva.
Eckdaten :
1484/85 : wird Hans Baldung in Schwäbisch Gmünd oder im Elsass in eine Akademikerfamilie geboren. Die Eltern sind zwar unbekannt, jedoch war sein Onkel Leibarzt Kaiser Maximilians I, sein Bruder Caspar Rektor der Universität Freiburg.
Vor 1500/um 1503 : künstlerische Ausbildung in Straßburg oder Schwaben. Es entstehen erste Werke.
1703 – 1507 : Baldung geht nach Nürnberg, vermutlich als Geselle in Albrecht Dürers Werkstatt tätig. Hier erhält er den Beinamen „Grien“ (grün), eventuell um ihn von anderen Dürergesellen zu unterscheiden. Auseinandersetzung mit der Kunst Dürers. Es entstehen Tafelbilder, Illustrationen, Holzschnitte und Glasgemälde.
1509 – 1512 : Baldung erwirbt das Straßburger Bürgerrecht und heiratet die aus einer angesehenen Straßburger Familie stammende Margarethe Herlin. Er wird Mitglied in der Malerzunft und gründet eine eigene Werkstatt.
1510-12 : Baldung erhält Aufträge bspw. vom Markgraphen Christoph I und dem Kloster Schuttern.
1512 – 1517/18 : Baldung siedelt nach Freiburg über, wo er den bedeutenden Auftrag erhält das Hochaltar-Retabel der Freiburger Stadtpfarrkirche zu malen. Es entstehen zahlreiche Arbeiten in verschiedenen Techniken, darunter auch die Hexenzeichnungen.
1514 – 1515 : Unterwegs in Schwaben und im Elsass zeichnet Baldung mit dem Silberstift. Diese Zeichnungen finden sind heute Teil des Karlsruher Skizzenbuches.
Um 1515
Arbeit an der ehrenvollen Aufgabe, das sogenannte Gebetbuch Kaiser Maximilians I mit Randzeichnungen zu illustrieren. Er wird zum gefragten Bildnismaler.
1517/18 : Rückkehr nach Straßburg.
1524 – 1429 : In Straßburg setzt sich die Reformation durch. Baldung arbeitet sowohl für reformatorische Kreise als auch für Altgläubige. Seine künstlerische Vielfalt bewahrt ihn vor existentiellen Sorgen durch den Wegfall kirchlicher Aufträge im Zuge der Reformation.
1527 : Baldung erwirbt ein Haus in der Brandgasse (Rue brulée). Er zählt zu den wohlhabenden Bürgern der Stadt.
1530 – 1545 : Das Spätwerk zeigt teilweise eine starke Orientierung an Lucas Cranach.
1533/34 : Bedeutende druckgraphische Werke entstehen, bspw. Die Serie der Wildpferde.
1544 : Künstlerische Beschäftigung mit der Vergänglichkeit des Lebens.
1545 : Baldung wird Mitglied des Rates der Stadt Straßburg und stirbt im gleichen Jahr mit 60 Jahren.
Mittwoch, 13. oktober
10:00 Uhr
Ihre Dozentin
Dr. Ursula Schmitt-Wischmann ist promovierte Kunsthistorikerin und ausgebildete Museums-und Kunstpädagogin. Sie arbeitet seit rund 30 Jahren als Museums-und Kunstpädagogin für die Kunstvermittlung der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe in den Bereichen Erwachsenen- und Schülerbildung. Außerdem ist sie in einer Privatschule als Kunstpädagogin tätig und betreibt ihr privates Atelier, das "Kunstatelier im Heidelberger Weststadthaus", in dem sie Kunstkurse veranstaltet. Sie ist unter anderem Autorin des malerischen Werkverzeichnisses zu Max Kaus.
Lesetipps :
Hans Baldung Grien – heilig/unheilig (hrsg. von Holger Jacob-Friesen) Katalog der Großen Landesausstellung Baden-Württemberg, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe 2019/20.
umfassende wissenschaftliche Aufarbeitung Hans Baldungs mit umfangreicher Literaturliste (Seite 484 – 501).