Hieronymus Bosch :

Der Garten der Lüste 

Die Bosch-Forschung hat in den letzten Jahrzehnten enorme Fortschritte gemacht. Dennoch bleibt sein größtes Werk, Der Garten der Lüste, bis heute ein Rätsel. Das farbenfrohe Triptychon provoziert nach wie vor gegensätzliche Interpretationen und macht den Eindruck, Bosch wollte damit das Publikum absichtlich verwirren und zur Diskussion anregen. 

Der Vortrag referiert den letzten Forschungsstand und argumentiert für eine Deutung und Datierung, die eine Ausbildung Boschs bei einem Buchmaler vermutet. Aus der Buchmalerei erklären sich nämlich sowohl die Malweise und Farbigkeit als auch die ungewöhnliche Ikonographie. Das Grundschema mit Seitenflügeln, die links das Paradies und rechts die Hölle schildern, lässt sich von traditionellen Weltgerichtsbildern herleiten. Während Bosch jedoch in seinem Wiener Weltgerichtstriptychon die Hölle aus dem Flügel heraus zu Füßen des thronenden Weltenrichters über die gesamte Mitteltafel ausbreitete, füllte er im Garten der Lüste die zentrale Tafel mit dem irdischen Paradies, das nach dem Gericht alle Menschen aufnimmt, die zu gut für die Hölle, aber nicht gut genug für den Himmel waren. Dies tat er unter allen zu seiner Zeit möglichen Aspekten inklusive der Widersprüche, die sich aus der Vorstellung des irdischen Paradieses als Schlaraffenland, in dem alle Wünsche in Erfüllung gehen, ergeben. Bosch nütze den unkonventionellen Gedanken, der vermutlich vom Auftraggeber vorgegeben wurde, um die Welt als Ganzes zu malen, mit vielen Tieren und Fabelwesen, aber auch mit Menschen aller Hautfarben, die sich in in ihrem jugendlichen Idealalter unschuldig nackt und unbestraft allen Arten von Gelüsten hingeben dürfen.  

Eckdaten :

1450/55 kam Hieronymus Bosch, der eigentlich Joen oder Jeroen van Aken hieß, in ’s-Hertogenbosch (auch: Den Bosch) in Brabant zur Welt. Dort erhielt er seine erste Ausbildung in der Malerwerkstatt seines Vaters.

1471–80 ist sein Aufenthaltsort unbekannt; er könnte seine Gesellenjahre im Ausland verbracht haben. 

1481 verkaufte er seinen Anteil am Haus des verstorbenen Vaters und besaß, nach der Heirat mit der vermögenden Aleid van de Meervenne, seine eigene Werkstatt.

1486/87 wurde er Mitglied der renommierten Bruderschaft Unserer Lieben Frau.

1490–1500 wurde er international so erfolgreich, dass er seine Werke mit dem Künstlernamen Jheronimus Bosch als Hinweis auf die Stadt, in der er lebte und arbeitete, zu signieren begann. Keines seiner Werke ist jedoch datiert.

1504 starb die spanische Königin Isabella von Kastilien, die einem Inventar zufolge bereits mehrere Werke Boschs besessen hatte. Im selben Jahr bestellte ihr habsburgischer Nachfolger, Philipp der Schöne, Herzog von Burgund, bei Bosch ein großes Weltgerichtstriptychon. 

1516 starb Bosch als berühmter Maler in ’s-Hertogenbosch. 

1517 wird einem italienischen Reisebericht zufolge die Mitteltafel des Gartens der Lüste  im Brüsseler Schloss des Grafen Hendrik III. von Nassau gesehen, weshalb man seinen Vorgänger und Onkel Engelbert II. von Nassau (1451–1504) als Auftraggeber des einzigartigen Triptychons vermuten darf.  

Mittwoch, 20. oktober

10:00 Uhr

Ihr Dozent

Dr. Erwin Pokorny ist freier Kunsthistoriker in Wien. Seine Forschungsschwerpunkte sind Zeichnung und Druckgrafik der Spätgotik und Renaissance nördlich der Alpen. Er unterrichtet als externer Lektor an den Universitäten Wien und Innsbruck sowie an der Akademie der bildenden Künste Wien. Immer wieder beschäftigt ihn die Kunst von und um Hieronymus Bosch und Albrecht Dürer, wobei ihn schwierige stilistische wie motivische Fragen gleichermaßen faszinieren. Sein beruflicher Werdegang und eine ausführliche Publikationsliste sind hier online gestellt: https://erwinpokorny.academia.edu/cv

Lesetipps :

Niels Büttner: Hieronymus Bosch, München 2012

Matthijs Ilsink et al.: Hieronymus Bosch, Painter and Draughtsman. Catalogue Raisonné, New Haven 2016

Reindert Falkenburg: The Land of Unlikeness. Hieronymus Bosch, The Garden of Earthly Delights, Zwolle 2011

Hans Belting: Hieronymus Bosch. Garten der Lüste, München 2002 


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