(Un)zeitgemäße Betrachtungen zum 1. Weltkrieg und den Versailler Vertrag.

Ein französischer Essay

Der Versailler Vertrag gilt als eines des wichtigsten aber auch zugleich komplexesten diplomatischen Vertragswerkes des 20. Jahrhunderts.

Seine langwierigen Konsequenzen - wie übrigens aller Pariser Vorortsverträge - auf die heutige geopolitische Lage sind unverkennbar. Bei jeder neuen Krise, wie unlängst während der türkisch-griechischen werden die „ungerechten“ Verträge als Ursache wieder angeprangert.

Der Versailler Vertrag – wenn er für die deutsch-französischen Beziehungen weitgehend ad acta gelegt wurde - ist dennoch ein fester Bestandteil der deutsch-französischen Erinnerungskultur. Er stellt den Bindestrich dar, der den 1. und den 2. Weltkrieg in einem „neuen 30 jährigen Krieg“, wie de Gaulle es ausdrückte.

Seine heutige Darstellung in der Medienlandschaft aber auch Schulen tendiert, in Deutschland aber auch in Frankreich zu einer kulturpolitischen Konvergenz. In beiden Ländern wird aus dem Vertragswerk ein stummer Schuldiger des 2. Weltkrieges gemacht. Diese „Europäisierung“ des Gedenkens im Zeichen der deutsch-französischen Versöhnung ist in vieler Hinsicht problematisch. Letztlich auch weil somit die populäre Ansicht des „Schandfriedens“ der 30er Jahren nachträglich legitimiert wird.

Die außergewöhnliche Rezeption - als Bestseller - des Fachbuches „Die Schlafwandler“ des australischen Autor Christopher Clark und seine Resonanz in den deutschen Medienwelt kann als ein Syndrom dieser Umkehr betrachtet werden. Als Syndrom, weil eine vermeintlich obsolete Frage wieder wachgeweckt wurde : die leidvolle Schuldfrage.

Dieses kollektive Phänomen ist umso bemerkenswerter, da man glaubte „Versailles sei für die Deutschen uninteressant geworden“ (Eberhard Kolb, 2005) und dass die internationale wissenschaftliche Produktion ein viel differenzierteres Bild des Versailler Vertrages abgegeben hatte: als „Kompromissfrieden“ oder gar als „zu milder Friede“.  

Bernard Klein nimmt als deutsch-französischer Geschichtsvermittler zu dieser Tendenz eine etwas unzeitgemäße Position ein. 

Eckdaten :

28.07.1914 : Bombardierung Belgrads.

03.08.1914 : Kriegserklärung Deutschlands an Frankreich.

06.04.1917 : Kriegseintritt der USA.

11.11.1918 : Waffenstillstand.

28.06.1919 : Unterzeichnung des Friedensvertrages.

12.05.1921 : Der Reichstag stimmt für die Annahme der Reparationen in Höhe von 132 GM.

11.01.1923 : Ruhrbesetzung durch Frankreich und Belgien wegen erneuter Lieferungsverzug.

29.08.1924 : Reichstag nimmt den Dawes-Plan an.

08.09.1926 : Deutschland wird Mitglied des Völkerbundes.

12.03.1930 : Annahme des Young-Plan durch Reichstag.

30.06.1930 : Letzter Abzug franz. Truppen aus Rheinland.

20.06.1931 : Hoover-Moratorium der Zahlung der Reparationen.

09.07.1932 : Beendigung der Reparationen.

13.01.1935 : Verbleib des Saarlandes beim Reich.

07.03.1936 : Einmarsch deutscher Truppen ins Rheinland.

29.09.1938 : Münchner Abkommen und Abtretung des Sudetenlandes.

01.09.1939 : Angriff auf Polen.

freitag, 26. FEBRUAR

10:00 UHR

Ihr Dozent

Bernard Klein studierte Geschichte und Personalwesen in Strasburg. Er war Gastlektor für Französisch in Berlin und ist Personalreferent in Betriebe in Frankreich und Deutschland. Seit 1995, leitet er die Internationalen Albert Schweitzer Begegnungsstätte in Niederbronn-les-Bains. 


Lesetipps :

Annika Mombauer, Die Julikrise. Europas weg in den Ersten Weltkrieg, Beck, München, 2014.

Eberhard Kolb, Der Frieden von Versailles, Beck, München, 2011.

Gerd Krumeich, Die unbewältigte Niederlage, Herder, Freiburg, 2018.